"Wenn Apple 35 Kilo Werkzeug schickt"
Apples Selbst-Reparatur-Service: Das Koffergewicht ist irrelevant
Was die Reparaturmöglichkeiten der eigenen Hardware-Produkte angeht, steht Apple seit Jahren in der Kritik. Unabhängig davon, ob es um defekte Logicboards im MacBook Pro, um ein gebrochenes iPhone-Display oder um eine ausgefallene Taste im Rahmen des iPads geht: Apple macht es alles andere als einfach, hier spontane Reparatur-Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Apple geht aktiv gegen Reparaturversuche vor
Zum einen hält Apple Reparaturinformationen und technische Dokumentationen zurück, die Serviceanbietern bei der Fehlersuche zur Hand gehen könnten. Zum anderen versucht Apple den Handel mit Original-Ersatzteilen nahezu vollständig zu kontrollieren und geht aktiv gegen den Einsatz von Tauschkomponenten vor, die nicht offiziell lizenziert worden.
Dabei geht es Apple nicht vornehmlich darum, ob Originalteile verbaut wurden, sondern um den Reparatur-Eingriff an sich. Dies haben Experimente mit Neugeräten gezeigt, zwischen denen einzelne Komponenten getauscht wurden.
Auf dem iPhone hat der Konzern zudem immer mehr Vorkehrungen getroffen, die Drittanbieter von der Reparatur der Geräte abhalten sollen. Warnmeldungen, die nach der Reparatur über Eingriffe im Gerät aufmerksam machen, gehen hier Hand in Hand mit Hardware-Sperren einher, die den Austausch einzelner Komponenten gänzlich verhindern.
Taktiken, die Apple über Jahre hinweg gutes Geld in die eigenen Kassen gespült haben. Denn mit den reparaturfeindlichen Vorkehrungen sorgte Apple dafür, dass Anwender ihr defektes Display nicht günstig beim Handy-Shop in der Fußgängerzone reparieren ließen, sondern sich für ein teures Austauschgerät aus dem Apple Store entschieden.
Dem Gesetzgeber zuvorkommen
Seit Ende 2020 hat die vor allem in den USA aktive Recht-auf-Reparatur-Bewegung dann den Druck auf Apple erhöht und mit erfolgreichen, lokalen Gesetzesinitiativen bewiesen, dass eine große Nachfrage nach dem Ausbau von Service- und Reparatur-Möglichkeiten vorhanden ist.
Als sich die Gesetzgeber in Amerika und Europa dann ernsthafter mit dem Thema auseinandersetzen, lenkte Apple urplötzlich ein und kündigte im vergangenen November überraschend an, ein eigenes DIY-Reparatur-Programm einführen zu wollen. Dieses würde vorerst nur in den USA, nur für ganz aktuelle iPhone-Modelle und nur für eine überschaubar kleine Auswahl unterschiedlicher Hardwarefehler angeboten. Ende April startete das Programm dann und förderte mehrere Merkwürdigkeiten zu Tage.
https://youtube.com/watch?v=V6u4MepcI0A
So verkaufte Apple nicht einfach nur Ersatzteile, sondern vermietete damit einhergehend auch professionelles Reparaturwerkzeug, für das teure Kautionszahlungen fällig und richtig viel Platz auf der eigenen Werkbank benötigt wurde.
„Wenn Apple 35 Kilo Werkzeug schickt“
Das Gewicht der Koffer, das eingeschränkte Service-Angebot und Videos mit den ersten Erfahrungsberichten sorgten in den kommenden Tagen dann für knackige Schlagzeilen So veröffentlichte das US-Magazin The Verge etwa den Artikel „Apple Shipped me a 79-Pound iPhone Repair Kit To Fix A 1.1-Ounce Battery“.
Der SPIEGEL übersetzte den Erfahrungsbericht einige Tage später und veröffentlichte das Stück „Wenn Apple 35 Kilo Werkzeug schickt“. Dabei lässt sich der Wald leicht vor lauter Bäumen übersehen: Es geht nicht um das Gewicht der Koffer.
Es geht (Apple) auch nicht um DIY-Reparaturen. Apples Reparatur-Programm existiert um Lobby-Arbeit gegen strikte gesetzliche Vorgaben machen zu können. Jedes Mal wenn Apples Reparaturpreise wieder in der Kritik stehen, kann der Konzern nun auf das eigene Reparaturprogramm verweisen und sich so als Teil der Lösung und nicht mehr als Teil des Problems positionieren. Stichwort: plausible deniability.
Völlig unattraktiv für Privatpersonen
Die Tatsache, dass die schweren Koffer, die teuren Kautionen, der umständlicher Versand und der vergleichsweise große Reparatur-Aufwand das Angebot für Privatperson völlig unattraktiv machen und dem Handy-Laden in der Fußgängerzone nicht zur Verfügung stehen ist dabei kein versehen, sondern dürfte ein von Beginn an fest einkalkuliertes Geschäftsgebaren sein.
„Schaut her“, scheint Apple seinen Kunden zuzurufen, „wie umständlich und teuer eine iPhone- Reparatur in Eigenregie sein kann. Warum kommt ihr nicht auch zukünftig weiter in unsere Filialen wenn sich iPhone und Asphalt mal wieder geküsst haben, beißt in den sauren Apfel und drückt uns die 590,90 Euro für das Austausch-iPhone in die Hand“…