Der Fall Tagesschau und seine Folgen
Recht: WarnWetter überholt WetterOnline, WDR knickt ein
WarnWetter kostet jetzt. Seit gestern verlangt die offizielle iPhone-Applikation des Deutschen Wetterdienstes 1,99 Euro für ihren vollen Funktionsumfang und hat damit auf ein Urteil des Landgerichts Bonn reagiert, dem eine Klage des privaten OninePortals WetterOnline vorausgegangenen war – ifun.de berichtete.
Doch mit ihrem Griff zur Juristenkeule scheint sich die „WetterOnline Meteorologische Dienstleistungen GmbH“ gehörig verkalkuliert zu haben. So katapultierte sich die bislang komplett kostenfrei angebotene WarnWetter-App jetzt nicht nur in die Top-10-Charts der umsatzstärksten App Store-Anwendungen Deutschlands, sondern ist mittlerweile auch an der Klägerin vorbeigezogen und beansprucht in der Wetter-Kategorie nun Platz 1 der ertragreichsten Apps. Vor Weather Pro und WetterOnline auf dem 3. Platz.
Überhaupt: In den Wortmeldungen zur DWD-App dominieren seit dem Gerichtsentscheid, App Store-untypisch, fast ausschließlich positive Rückmeldungen zur Einführung Bezahl-Option. Zwar freuen sich die Nutzer nicht über die erzwungenen Änderungen, bekunden aber ihre Sympathien für die Behörde und gratulieren zur schnellen Umsetzung des Premium-Option, die die Konformität mit dem Urteil sichern soll.
Der DWD, der bereits Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts eingelegt hat und sich seinerseits schon auf die Fortführung der rechtlichen Auseinandersetzung vorbereitet, hat inzwischen detailliert darüber informiert, welche Funktionen in der kostenlosen Basisversion gestrichen wurden.
Funktionen die der der kostenpflichtigen Vollversion der WarnWetter-App vorbehalten sind:
- Amtliche Warnungen zur Warnsituation, Infos zur Warnlageentwicklung
- Individuell konfigurierbare Warnelemente und Warnstufen
- Zuschaltbare Alarmierungsfunktion bei Änderung der Warnlage vor Ort
- Frühe Alarmierung durch ‚Vorabinformation Unwetter‘ als Push-Nachricht
- Widget auf Startbildschirm für individuell ausgewählte Orte/Warnungen
- Unwettervideos aus dem DWD-TV-Studio bei größeren Unwetterlagen
- Aktuelle Wetterradarbilder mit Anzeige der georteten Blitze
- Aktueller Warnmonitor für Gewitter, Glatteis, Starkregen und Schneefall
- Integrierte Hitzewarnungen und Angaben zur lokalen Wärmebelastung
- UV-Warnungen in Ortsansicht und als flächige Karte
- Hochwasserwarnungen und Hochwasserlage in den Bundesländern
- Sturmflutwarnungen, Wasserstandvorhersagen für die deutsche Küste
- Einschätzung der Lawinengefahr für Stationen der Bayerischen Alpen
- Teilen von Warninformationen in Social Media
- Weitere Wetterinformationen zur Personalisierung des Unwetterrisikos
Zudem unterstreicht der DWD, dass die von WetterOnline angestoßene Klage im Zweifelsfall sicherheitsrelevante Auswirkungen haben könnte und bietet fortan einen kostenfreien Sonderzugang für Rettungskräfte an:
Frühzeitige und überall verfügbare Warnungen vor Unwettern können Leben retten und Schäden vermeiden. Deshalb hatte der DWD 2015 sein Informationsangebot bei Wettergefahren um die amtliche „WarnWetter-App“ für Smartphones und Tablets erweitert. Zielgruppen der werbefreien App des DWD sind die gesamte Bevölkerung in Deutschland, aber auch spezialisierte Nutzer wie Einsatzkräfte der Katastrophenhilfe. Für ein angemessenes Verhalten der Bevölkerung bei Wettergefahren sind nicht nur die allgemeinen amtlichen Warnungen des DWD, sondern auch einordnende spezifische Wetterinformationen erforderlich. Die entgeltfreie Warn-Wetter-App bot deshalb bisher für jedermann auch hoch aufgelöste Bilder und Filme des DWD-Wetterradars, des Wettersatelliten METEOSAT sowie Modellvorhersagen für die wichtigsten warnrelevanten Ereignisse wie Sturm, Dauer- oder Starkniederschläge an.
Parallelen zum Fall Tagesschau
Die Causa WarnWetter erinnert an die jahrelangen rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Tagesschau und den deutschen Zeitungsverlegern, die das App-Angebot der Nachrichtensendung als „zu textlastig“ kritisierten und die Angst vor der steuerfinanzierten Konkurrenz lieber vor Gericht als mit einem Ausbau der eigenen Angebote adressieren wollten.
An das Ergebnis des Tagesschau-Streits werden sich die meisten iPhone-Anwender noch gut erinnern: Die neue App setzt verstärkt auf Video-Inhalte, hat das Textangebot zurückgefahren und den Umfang seiner Berichterstattung reduziert.
WDR knickt ein
Zudem sorgt der Fall Tagesschau nun dafür, dass sich andere Vertreter der öffentlichen Hand im vorauseilenden Gehorsam üben. So hat der WDR erst in der vergangenen Woche angekündigt, sein Online-Angebot zukünftig „multimedialer gestalten“ zu wollen. Im kommenden Jahr soll das Digital-Portfolio mit neuen audiovisuellen Formaten ausgebaut werden. Mehr Videoinhalte also und weniger lesenswerte Texte.
Im Interview mit dem Deutschlandfunk begründete WDR-Intendant Tom Buhrow den Schritt mit dem Wunsch einen erneuten Rechtsstreit mit den Verlegern aus dem Weg zu gehen:
[…] Ich wollte einfach nicht warten, bis der WDR verklagt wird, sondern wollte ein Signal setzen, hier ist ein Urteil, wir haben das verstanden. Ob ich damit inhaltlich einer Meinung bin oder nicht, spielt gar keine Rolle. Wir halten uns daran und werden uns so ausrichten, und natürlich will ich damit auch ein Signal setzen. Ich will ein Signal an die Verleger setzen. Wir wollen nicht die ganze Zeit uns vor Gericht oder anderswo die Köpfe einschlagen, auch in der Zeitung, sondern lass uns gucken, dass wir auskömmlich miteinander auskommen. Wir werden noch weiter Text haben, ja, es wird aber weniger sein.
Ein konfliktscheues Verhalten, dass Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner erst Anfang der Woche lobte und in Walter „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ Ulbricht-Manier ergänzte: „Keiner will den Öffentlich-Rechtlichen Textelemente verbieten“.
Der Kommentar Der letzte Text der ARD, den das WDR-Medienmagazin Zapp zum Thema formuliert hat, sei euch in diesem Zusammenhang empfohlen.