Das Karten-Dilemma: Apple ändert Texte, schlägt Alternativen vor und sieht sich fortwährender Kritik ausgesetzt
Der missglückte Start der Apple-eigenen Kartenapplikation zieht seine Kreise. So hat sich Cupertino zum Wochenende nicht nur für eine ausführliche Entschuldigung entschieden – hier die deutsche Version des offenen Briefes von Tim Cook – sondern bewirbt alternative karten-Anwendungen nun auch aktiv auf einer eigens eingerichteten App Store-Sonderseite.
Auf dem amerikanischen iOS-Portal apple.com/ios/maps/ hat Apple zudem an der bislang eingesetzten Sprachregelung geschraubt. Statt die eigenen Karten noch wie bis vor wenigen Tagen als „the most beautiful, powerful mapping service ever“ zu bewerben, heißt es nun etwas zurückhaltender „[maps] in a beautiful vector-based interface that scales and zooms with ease„.
Der deutsche Text bleibt unverändert euphorisch:
Mit ausführlichen, gesprochenen Wegbeschreibungen, einer interaktiven 3D Ansicht und dem beeindruckenden Flugmodus ist die von Apple ganz neu designte Karten App einfach großartig. All das macht die App zu einem der leistungsstärksten und im wahrsten Sinne sehenswertesten Navigations- und Kartendienste.
Während iPhone-Programmierer wie etwa Futuretap, die mit der iPhone-Anwendung Wohin? (AppStore-Link) im AppStore vertreten sind, die Karten-Kritik in Richtung Apple inzwischen als Aufhänger für Pressemitteilungen verwerten:
Mit der neuen Karten-App in iOS 6 hat Apple leider nicht den großen Wurf getan. Die Anwender beschweren sich über fehlerhafte Daten und fehlende POI-Einträge. Eine Umkreissuche liefert oft nicht die gewünschten Ergebnisse. Die Umkreissuche-App „Wohin?“ setzt weiter auf Google und liefert so auch in Zukunft die genaueren Ergebnisse.
Prognostiziert der Nachrichtensender CNN bereits ein Mitarbeiter-Problem und berichtet über Forderungen aus der Entwickler-Community, nach denen Scott Forstall, Apples Senior Vice President für das iOS-Betriebssystem, seinen Platz räumen sollte. Ausschlaggebend hier, dieser Karten-Test aus Kanada.
Von 2028 getesteten Städten und Gemeinden der Provinz Ontario wurden nur 400 korrekt in Apples Karten-App angezeigt. 389 waren noch im grünen Bereiche, 551 falsch platziert und 688 überhaupt nicht in Apples Karten zu finden.
Punkte, die die New York Times mit sechs Jahre alter Trivia anreichert. So ist die Karten-Anwendung der ersten iPhone-Generation erst wenige Wochen vor dem Verkaufsstart des iPhone classic fertig gestellt worden und stand Anfangs überhaupt nicht auf Apples Liste der geplanten Funktionen:
Eine Karten-Applikation in das erste iPhone zu integrieren, stand im Vorfeld der iPhone-Ankündigung nicht auf Apples To-Do-Liste. Nur wenige Wochen vor dem Event gab Jobs eine Karten-App in Auftrag, um die Performance des Touchscreens demonstrieren zu können. Zwei Apple-Entwickler programmierten daraufhin eine Karten-Anwendung in nur drei Wochen, die so überzeugte, dass Apple anschließend einen hektischen Deal mit Google aufsetzte um das Karten-Material des Suchmaschinen-Riesen zu lizenzieren.
Und jetzt? Glaubt man den hier veröffentlichten Zahlen zur Karten-Nutzung, sind Apples Karten so schlecht, dass die aktive Nutzung des Mapping-Materials stark nachgelassen hat. Vor iOS 6 nutze einer von vier iPhone-Besitzern die Karten-App einmal täglich – seit iOS 6 greift nur noch einer aus 25 zu Apples Karten. Tendenz sinkend.
Warten wir also auf Apple. Cupertino hat genug Barmittel auf der hohen Kante um das von Cook abgegebene Versprechen einzulösen:
[…] Alles, was wir bei Apple tun, hat zum Ziel, unsere Produkte zu den besten der Welt zu machen. Wir wissen, dass unsere Kunden das von uns erwarten – und wir werden ohne Unterlass daran arbeiten, bis die Karten App diesem extrem hohen Standard gerecht wird.