Erste Auslegung des Neutralitätsgrundsatz
EuGH: Handytarife mit Drossel und Zero-Rating verstoßen gegen EU-Recht
Mobilfunktarife, die auf der einen Seite über ein begrenztes Datenvolumen und eine Datendrossel verfügen, die nach dem Aufbrauchen des inklusive-Volumens greift, auf der anderen Seite aber bestimmte Dienste durch sogenanntes Zero-Rating trotz Drossel mit voller Geschwindigkeit versorgen, verstoßen gegen geltendes EU-Recht.
Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union heute mit einem Urteil gegen den Mobilfunkanbieter Telenor klargestellt und dabei erstmals die Unionsverordnung ausgelegt, mit der die „Neutralität des Internets“ innerhalb der Europäischen Union rechtlich festgeschrieben wird.
Vodafone Pass und Telekom StreamOn vor dem Aus?
Dies bedeutet: Mobilfunk-Tarife, mit Sonderkonditionen für ausgewählte Streaming-Dienste, Chat-Anbieter und sonstige Partner der jeweiligen Mobilfunkanbieter stehen rechtlich jetzt erstmals auf wackeligen Beinen. Als Frage formuliert: Stehen Vodafone Pass und das „StreamOn“-Angebot der Telekom jetzt vor dem Aus?
Dem Urteil vorausgegangen waren mehrere Verfahren der ungarischen Behörde für Medien und Kommunikation, die ihrerseits in Erfahrung bringen wollte, wie sich die Zero-Rating-Angebote mit dem Grundsatz der Netzneutralität vereinbaren lassen. Unter anderem im Visier der Behörde: die ungarischen Mobilfunker von Telenor.
Heute nun hat der Gerichtshof der Europäischen Union geurteilt und den Grundsatz der Netzneutralität folgendermaßen ausgelegt: Tarif mit Zero-Rating-Angeboten verstoßen gegen geltendes Recht, unabhängig davon mit welcher Argumentation und mit welchen technischen Mitteln der Datenverkehr verlangsamt wird:
Darüber hinaus hat der Gerichtshof entschieden, dass Maßnahmen, mit denen der Verkehr blockiert oder verlangsamt wird, als solche als mit der genannten Bestimmung unvereinbar anzusehen sind, da sie nicht auf objektiv unterschiedlichen Anforderungen an die technische Qualität der Dienste bei speziellen Verkehrskategorien, sondern auf kommerziellen Erwägungen beruhen.
Zudem steht die Tatsache in der Kritik, dass Mobilfunkanbieter überhaupt gesonderte Tarif-Vergünstigungen für Partner-Unternehmen bereitstellen, der EuGH sieht hier eine unzulässige Beeinflussung des Nutzungsverhaltens und argumentiert:
Derartige Pakete können nämlich die Nutzung der bevorzugt behandelten Anwendungen und Dienste erhöhen und zugleich die Nutzung der übrigen verfügbaren Anwendungen und Dienste in Anbetracht der Maßnahmen, mit denen der Anbieter von Internetzugangsdiensten ihre Nutzung technisch erschwert oder sogar unmöglich macht, verringern. Zudem kann, je größer die Zahl der Kunden ist, die solche Vereinbarungen abschließen, die kumulierte Auswirkung dieser Vereinbarungen angesichts ihrer Tragweite umso mehr zu einer erheblichen Einschränkung der Ausübung der Rechte der Endnutzer führen oder sogar den Kern dieser Rechte untergraben.
Der Volltext des Urteils wurde am heutigen Tag der Verkündung auf der offiziellen Curia-Website des Gerichtshof der Europäischen Union veröffentlicht.