3,70 Euro für einen leeren E-Scooter
Akku laden, Pizza liefern: Gruselige Einblicke in die „Gig Economy“
Die Akteure der Gig Economy lassen sich nicht über einen Kamm scheren.
Die einen sammeln Nachts leergefahrene E-Scooter von den Straßen der Touristen-Metropolen, laden diese in den eigenen vier Wänden wieder auf und verdienen nach Rücktransport ins Straßenland knappe vier Euro pro E-Tretroller.
Die anderen liefern Pizzen und Burger in quadratischen Fahrradrucksäcken aus, konkurrieren im unzureichend versicherten Privatfahrzeug mit Taxi-Fahrern oder versuchen sich als Paketzusteller.
Die „Selbstständigen“ sind dabei fast immer alleine mit der App des Gig-Anbieters, kennen weder Betriebsräte noch Gewerkschaften, befinden sich mit den anonymen Kollegen im ständigen Konkurrenzkampf um neue Liefer-Aufträge, leere Roller-Akkus und profitable Taxi-Fahrten und sorgen mit dem freiwilligen Arbeitseinsatz nicht nur für den Wegfall sozialversicherungspflichtiger Jobs, sondern verzichten selbst auch auf feste Anstellungsverhältnisse, bezahlten Urlaub und traditionelle Aufstiegschancen.
So schnell wie sich die Gigs annehmen lassen, so entbehrlich sind die Arbeiter, etwa bei schlechten Bewertungen, zu wenig geladenen Akkus und zu langsam ausgelieferten Sushi-Platten auch wieder.
DER STANDARD: Der harte Job der Juicer
So schreibt etwa die Berliner Morgenpost:
Laut einem Bericht der Tageszeitung „taz“ zahlt Lime vier Euro pro aufgeladenem Roller. Gegenüber der Zeitung beziffert ein Juicer die geschätzten Stromkosten pro vollständiger Ladung eines Akkus auf 30 Cent. Entsprechend bleiben Einnahmen von 3,70 Euro. Der Gewinn ist am Ende allerdings noch geringer, da der Juicer auch die Kosten für Benzin und Internet tragen muss und sein Einkommen als Selbstständiger zu versteuern hat. Bei Fehlern, etwa wenn die Roller zu spät wieder aufgestellt werden, reagiert Lime mit Strafen wie 50 Prozent weniger Bezahlung.
Wie stressig, furchtbar unterbezahlt und seelenlos die prekären Arbeitsverhältnisse im „Gig Economy“-Universum sind, zeigt aktuell der lesenswerte Selbstversuch des New York Times-Kolumnisten Andy Newman.
Dieser hat bei mehreren Fahrrad-Lieferdiensten angeheuert und unterstreicht in seinem Artikel „My Frantic Life as a Cab-Dodging, Tip-Chasing Food App Deliveryman“ einmal mehr, dass ausschließlich die Anbieter von den austauschbaren Billig-Tagelöhnern profitieren:
The riders are the street-level manifestation of an overturned industry, as restaurants are forced to become e-commerce businesses, outsourcing delivery to the apps who outsource it to a fleet of freelancers.