"Schädelvermesserei des Kolonialismus"
In Sachen „Face ID“: Apples Patzer, ausgeschlossene Nutzer, Schädelvermesserei
Zwei Tage nach der initialen Vorstellung des neuen Sicherheits-Features „Face ID“, bilden sich langsam Meinungen zur Infrarot-Gesichtserkennung, die Apple seinem iPhone X mit auf den Weg geben wird.
Schädelvermesserei
Spannend, wenngleich auch etwas konstruiert, ist der Kommentar, den Andrian Kreye in der Süddeutschen verfasst hat. Kreye konstatiert: „Die Face-ID des neuen Modells ist praktisch, aber gefährlich. Sie erinnert an die Schädelvermesserei des Kolonialismus – doch bei Apple heißt das Innovation.“
Apple habe, so der Autor, einen Sprung in die Vergangenheit gemacht. Die Tatsache, dass Cupertino nun anfangen würde die Schädel seiner Nutzer zu vermessen sei als gefährlich einzustufen:
Zwar kann man die Gesichtserkennung im neuen iPhone genauso abschalten wie die Fingerabdruckerkennung in den vergangenen Modellen oder die Lauschfunktion der Sprachsteuerung. Da aber kann die digitale Industrie auf einen Grundreflex der Menschheit zählen. Das ist die Bequemlichkeit. Warum nicht ein paar Daten preisgeben, wenn das Leben so viel leichter wird? So wird das iPhone bald schon die Köpfe seiner Nutzer vermessen. Nichts anderes taten die Kolonialherren des 19. Jahrhunderts mit den von ihnen Eroberten. Damals war das die Kraniologie, die Schädelvermesserei. Heute nennt man es Innovation.
Ausgeschlossene Nutzer
Gegrübelt wird unterdessen auch, welche Nutzergruppen nicht von der neuen Gesichtserkennung profitieren werden.
Neben Sonnenbrillen-Trägern und Wintersportlern, die auch in der Pistenpause noch ihren Integralhelm aufhaben, schließt Apple weite Teil der asiatischen Kundschaft aus, die im Alltag auf Mundschutz-Masken setzen. Auch Anwender mit religiöser, das Gesicht verdeckender Kleidung werden wohl wenig von der neuen Face ID-Funktion haben.
CC BY 2.0: Hamed Saber, Dmitri Markine, Kencf0618 & Bernard Gagnon
Augen zu beim iPhone-Diebstahl
Immerhin laufen diese Gruppen jedoch nicht Gefahr gegen ihren Willen identifiziert zu werden. So hat der US-Journalist Nilay Patel in seinem Hands-On-Video auf einen Umstand hingewiesen, den ihr im Hinterkopf behalten solltet. Ist Face ID aktiviert, reicht es aus wenn unberechtigte Personen das iPhone X in eure Richtung halten. So lässt sich das Telefon nicht nur entsperren, auch Apple Pay-Zahlungen können so initiiert werden.
Patel demonstriert dies an einem Apple-Mitarbeiter im eingebetteten Video ab Minute 1:46. Anders formuliert: Im Falle eines Diebstahls solltet ihr schnell eure Augen schließen.
Apple rechtfertigt Bühnen-Patzer
Zu guter letzt hat sich Apple inzwischen zum Bühnen-Patzer während der Face ID-Präsentation geäußert. Software-Chef Craig Federighi konnte sein iPhone X Demo-Gerät auch im zweiten Anlauf nicht mit seinem Gesicht entsperren und musste auf ein Backup-Gerät ausweichen.
Laut Apple – eine These, die wir bereits gestern in den Ring geworfen haben – kämpfte Federighi nicht etwa mit einer Fehlfunktion, sondern mit dem Umstand, dass andere Apple-Mitarbeiter die iPhone-Modelle kurz vor der Präsentation in den Händen hatten. Nachdem das Demo-Gerät erfolglos versuchte diese zu identifizieren, aktivierte es kurzerhand den zusätzlichen Passcode-Schutz. Dieser brachte Federighi dann leicht ins stocken.